Das Schloss Wiesenau im oberen Lavanttal war im 19. Jahrhundert ein weithin bekanntes landwirtschaftliches Mustergut und auch für die Kultur- und Geistesgeschichte Kärntens von großer Bedeutung. Nur wenige wissen heute, dass im Schloss viele Jahre lang auch der einst berühmte Astronom Johann Tobias Bürg lebte und forschte.
Johann Tobias Bürg, geboren am 24. Dezember 1766 in Wien, war ein herausragender Astronom, der maßgeblich zur Entwicklung der modernen Astronomie beitrug. Nach einer erfolgreichen wissenschaftlichen Laufbahn an der Universitätssternwarte Wien und als Lehrer in Klagenfurt erlitt er im Winter 1809/10 einen Gehörsturz, der ihn taub machte. Trotz dieser Einschränkung blieb er der Astronomie treu und zog sich auf das Schloss Wiesenau im oberen Lavanttal zurück, wo er seine letzten Jahre verbrachte. Bürgs Berechnungen der Mondumlaufbahn brachten ihm internationale Anerkennung, und seine Arbeit beeinflusste die Schifffahrt und die wissenschaftliche Welt nachhaltig. Nach seinem Tod am 25. November 1835 blieb sein Vermächtnis in Form von Schriften, Instrumenten und dem nach ihm benannten Bürg-Krater auf dem Mond bestehen.
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Es war der 20. November 1835, ein Tag, an dem der Winter mit seiner vollen Macht das Lavanttal beherrschte. Der Wind pfiff durch die kahlen Äste der Bäume, und Schneeflocken wirbelten in einem wilden Tanz. Der alte Mann, der sich durch diese unwirtliche Winterlandschaft bewegte, stapfte fest in den Schnee, sein Mantel schützte ihn vor der Kälte, aber seine langsamen, bedächtigen Schritte verrieten die Last seiner Jahre. Johann Tobias Bürg war nicht mehr bei bester Gesundheit, doch diese täglichen Spaziergänge waren ihm zur Gewohnheit geworden – sie boten ihm eine letzte Verbindung zur Natur, zu den Sternen, und gaben ihm Trost in den letzten Tagen seines Lebens.
Bürg, der schon bald seinen 68. Geburtstag begehen sollte, war ein Mann, der sich sein Leben lang mit dem Universum beschäftigt hatte, stets bemüht, die Bewegungen der Himmelskörper zu berechnen. Diese Hingabe zur Ordnung und Präzision spiegelte sich auch in seiner täglichen Routine wider. Die Stille um ihn herum war beinahe greifbar – er hörte das Rascheln der Bäume oder das Zwitschern der Vögel nicht mehr, seit jener kalten Nacht, in der er bei der Arbeit an der Wiener Sternwarte einen Gehörsturz erlitt. Doch seine Leidenschaft für die Wissenschaft blieb ungebrochen.
Johann Tobias Bürg wurde am Weihnachtsabend 1766 in Wien geboren. Ein Kind des Winters, in eine Zeit der Ruhe und Besinnung hineingeboren, wuchs er in einem wohlhabenden Elternhaus auf, das ihm die besten Bildungsmöglichkeiten bot. Bereits in jungen Jahren zeigte er eine außergewöhnliche Begabung für Mathematik und Physik. Diese Interessen führten ihn schließlich an die Universität Wien, wo er unter der Anleitung renommierter Lehrer wie Franz de Paula Triesnecker Mathematik und Physik studierte. Diese Fächer waren damals von zentraler Bedeutung für die Astronomie, eine Wissenschaft, die sich in einem rasanten Wandel befand.
Die Nächte, die Bürg an der Universitätssternwarte verbrachte, waren der Beginn einer bemerkenswerten wissenschaftlichen Karriere. Er beobachtete die Sterne, studierte die Bewegungen der Himmelskörper und trug damit zur Erforschung des Universums bei. Im Jahr 1791 wurde er als Professor für Physik nach Klagenfurt berufen, wo er nicht nur seine Lehrtätigkeit ausübte, sondern auch enge Verbindungen zu Wissenschaftlern und Gelehrten knüpfte, die sein weiteres Leben prägen sollten.
Den Geheimnissen des Mondes auf der Spur
Die Welt der Astronomen im 18. und 19. Jahrhundert war geprägt von einem Spannungsfeld zwischen althergebrachten religiösen Vorstellungen und den neuen Erkenntnissen der Wissenschaft. Bürg stand genau in diesem Spannungsfeld – seine Arbeit basierte auf präzisen Berechnungen, die eine Welt beschrieben, in der alles erforschbar und berechenbar war. Die Himmelskörper folgten den Gesetzen der Physik und Mathematik, und für einen Mann wie Bürg, der sich unter anderem den Bewegungen des Mondes verschrieben hatte, war dies die Grundlage seiner gesamten Forschung.
Ein Höhepunkt in Bürgs wissenschaftlicher Laufbahn war zweifellos seine Arbeit an der Berechnung der Mondumlaufbahn. 1799 wurde er vom Pariser Institut National gemeinsam mit dem Franzosen Alexis Bouvard ausgezeichnet. Diese Berechnungen fanden nicht nur in der wissenschaftlichen Gemeinschaft Anerkennung, sondern auch praktische Anwendung, vor allem in der Navigation der Schifffahrt, wo die genaue Bestimmung der Mondposition für die Positionsbestimmung auf See unerlässlich war.
Bürg wurde in gelehrte Gesellschaften in Paris, Petersburg, Edinburgh, Berlin und Göttingen aufgenommen, und sogar die Amerikaner interessierten sich für seine Mondtafeln, die bald auch in der Schifffahrt angewendet wurden. In Österreich wurde er 1809 mit dem Ritterkreuz des Leopold-Ordens ausgezeichnet.
Doch die Kälte des Winters und die langen Nächte an der Sternwarte forderten einen hohen Preis. Im Winter 1809/10, während einer besonders klaren Nacht, erlitt Bürg einen Gehörsturz, der ihn fast vollständig taub machte. Es war ein schwerer Schlag für einen Mann, der sein Leben der Wissenschaft gewidmet hatte, und dennoch hielt er unbeirrt an seiner Leidenschaft fest. Die Taubheit zwang ihn, sich von seiner Lehrtätigkeit an der Universität zurückzuziehen, doch sie konnte ihn nicht davon abhalten, weiterhin als Astronom zu arbeiten.
Bürg zog sich immer mehr in das friedliche Lavanttal zurück, wo er auf Schloss Wiesenau eine neue Heimat fand. Dieses Schloss gehörte Johann Söllner, dem Direktor der Bleiweißfabrik in Wolfsberg, und seiner Frau Elisabeth, die ebenfalls eine tiefe Neugierde für die Wissenschaften hegte. Die Söllners waren aufgeklärte Menschen, die sich mit Landwirtschaft und wissenschaftlichen Methoden beschäftigten, und um sie hatte sich ein Kreis von Gelehrten gebildet, der regelmäßig auf Schloss Wiesenau zusammenkam, um über die neuesten Entwicklungen in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zu diskutieren.
Bürg forschte in Wiesenau bis zu seinem Tod weiter
In dieser intellektuellen Gemeinschaft fand Bürg Trost und Anregung. Obwohl er nichts mehr hören konnte, nahm er weiterhin aktiv an Gesprächen teil, indem er mit seinen Gesprächspartnern über eine Schiefertafel kommunizierte. Besucher, die eigens wegen ihm nach Schloss Wiesenau kamen, nutzten die Gelegenheit, mit dem berühmten Astronomen in Kontakt zu treten. Sogar Durchreisende fanden ihren Weg zu ihm – so wie die drei Wiener Studenten, die eines Abends Quartier suchten und auf Schloss Wiesenau den freundlichen alten „Sterngucker“ trafen, ohne zu wissen, dass es sich um Johann Tobias Bürg handelte. Erst später erfuhren sie, wem sie tatsächlich begegnet waren.
Doch das Leben auf Schloss Wiesenau war nicht ohne Tragik. Einige Jahre vor Bürgs Tod schied Elisabeth Söllner durch Suizid aus dem Leben, nachdem sie lange unter Melancholie gelitten hatte, die durch den frühen Verlust ihres ersten Kindes noch verstärkt worden war. Mit ihrem Tod löste sich auch der „Wiesenauer Kreis“ allmählich auf, der ohne ihre tragende Kraft nicht mehr bestand.
Am 25. November 1835 verstarb Johann Tobias Bürg in den stillen Gemäuern des Schlosses. Die Nachricht seines Todes verbreitete sich schnell, und viele Menschen aus der Umgebung kamen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Die Beerdigung fand in der gotischen Kirche von St. Leonhard statt, wo Bürg auf dem nahegelegenen Friedhof zu Grabe getragen wurde. Heute erinnert eine Grabtafel in der Kirche an den Astronomen, dessen Leben und Werk die Wissenschaft seiner Zeit maßgeblich beeinflussten.
Werner Thelian
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