Ferdinand Raimund im Lavanttal – Eine wenig bekannte Reise des großen Dramatikers

Im Sommer 1830 begab sich Ferdinand Raimund (1790–1836), einer der bedeutendsten Dramatiker und Schauspieler des österreichischen Biedermeier, auf eine Reise nach Kärnten, die ihn auch ins Lavanttal und nach Wolfsberg führte. Diese Reise ist in der bisherigen Forschung kaum dokumentiert, doch ein persönlicher Brief an seine Lebensgefährtin Toni bietet uns einen faszinierenden Einblick in Raimunds Eindrücke und Erlebnisse. Der Brief, verfasst am 6. Juli 1830 in Klagenfurt, erzählt von seiner Reiseroute und den Menschen, denen er begegnete.

Flucht vor den Anforderungen der Theaterwelt

1830 befand sich Raimund auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Seine Zauberspiele wie „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ (1828), „Das Mädchen aus der Feenwelt oder: Der Bauer als Millionär“ (1826) hatten ihm großen Ruhm eingebracht, doch war diese Zeit auch von gesundheitlichen Problemen und inneren Kämpfen geprägt. Raimund litt zunehmend unter hypochondrischen Ängsten, was ihn dazu veranlasste, regelmäßig Erholungsreisen zu unternehmen. Der Besuch des Lavanttals war wohl ein Versuch, Ruhe und Ablenkung von den Anforderungen der Theaterwelt zu finden.

In seinem Brief beschreibt Raimund die Reise, die ihn über Leoben, Judenburg und Obdach schließlich ins Lavanttal führte:

„Den vierten Tag durch einen 3 Stunden langen düsteren Graben nach dem himmlisch-schönen Lavantthal, wo wir in der kleinen Stadt Wolfsberg Halt machten.“1)

Der Ausdruck „himmlisch-schönes Lavantthal“ zeigt, dass Raimund von der Landschaft tief beeindruckt war. Besonders die Station in Wolfsberg scheint ihn fasziniert zu haben. Raimund besuchte dort die Brüder Rosthorn, die zu jener Zeit Besitzer der Herrschaft Wolfsberg waren. Diese Familie war für ihre wirtschaftlichen Unternehmungen, insbesondere die Eisenverarbeitung, bekannt. Raimund schreibt:

„Wir besuchten die Gebrüder Rosthorn, die jetzigen Besitzer der reichen Herrschaft Wolfsberg, und wurden auf ihrem Schloss, welches früher der Sitz der Bambergischen Bischöfe war, mit großer Höflichkeit aufgenommen.“2)

Eisenhammerwerk der Brüder Rosthorn in St. Gertraud, um 1850
Eisenhammerwerk der Brüder Rosthorn in St. Gertraud, um 1850

Die herzliche Aufnahme auf Schloss Wolfsberg und die Gastfreundschaft der Rosthorns hinterließen bei Raimund offensichtlich einen bleibenden Eindruck. Besonders beeindruckend war auch der Besuch des Eisenhammerwerks, das ihm die Gebrüder Rosthorn zeigten, und das die wirtschaftliche Bedeutung der Region unterstrich. Auch die Erkundung der Umgebung fehlte nicht:

„Den zweiten Tag bestiegen wir die 7000 Fuß hohe Koralpe, auf welcher man eine unermessene Aussicht genießt.“

Die Wanderung auf die Koralpe und der Ausblick von dort müssen beeindruckend gewesen sein, besonders für jemanden, der den städtischen Trubel Wiens gewohnt war. Man spürt in seinen Worten, dass er die Weite und die Schönheit der Natur genoss – vielleicht als willkommene Abwechslung von den „Unannehmlichkeiten in Wien“, die er „aus dem Gedächtnis zu jagen“ suchte.

Diese Episode aus Raimunds Leben, seine Begegnung mit den Rosthorns, die Wanderung auf die Koralpe und sein Aufenthalt in Wolfsberg bieten eine besondere Perspektive auf den Künstler, die weit über seine Arbeit als Dramatiker hinausgeht. Sie zeigt Ferdinand Raimund als einen Menschen, der im Lavanttal Ruhe, Gastfreundschaft und Naturerlebnisse fand – eine Seite, die im Schatten seines Bühnenruhms oft unbeachtet bleibt.

Für die Region selbst ist dies eine bemerkenswerte Entdeckung, denn der Besuch eines solch berühmten Dramatikers und Schauspielers verleiht der Geschichte des Lavanttals zusätzliche kulturelle Tiefe. Es wäre spannend zu erforschen, wie diese Reise Raimunds Werke und sein Leben möglicherweise beeinflusst hat.


Anmerkungen

  • 1) Die Brüder Rosthorn bewohnten damals das Schloss Wolfsberg und waren neben ihren wirtschaftlichen Unternehmungen auch für ihre Theaterleidenschaft bekannt. Im Schloss gab es einen eigenen Theatersaal, in dem gelegentlich professionelle Ensembles, insbesondere vom Stadttheater Klagenfurt, auftraten.
  • 2) Der Twimberger Graben war 1830 noch unwegsam und gefürchtet für seine steilen Felswände sowie den reißenden Lavantfluss, der entlang des holprigen Weges floss. Die Reisenden, ob zu Fuß oder mit der Kutsche, waren hier stets großen Herausforderungen ausgesetzt.

Werner M. Thelian

Über Werner M. Thelian 94 Artikel
Jahrgang 1964, in Wolfsberg geboren und in Bad St. Leonhard aufgewachsen. Studium der Germanistik und Philosophie. Als Journalist, Autor und PR-Fachmann hat er zahlreiche Reportagen, Zeitungsserien und Bücher verfasst und gestaltet. Zu seinen Büchern gehören unter anderem Werke über das Lavanttal, wie »Bad St. Leonhard – Stadt mit Geschichte und Kultur« (1995), »Reichenfels – Ein Markt im Wandel der Zeit« (1996), »Lust auf Lavanttal« (2007), »Lavanttal – Wissens- und Sehenswertes« (2020) und »Brauchtum in Wolfsberg« (2023). Werner M. Thelian ist ein Kenner der Region, der seine Leser auf eine anschauliche Reise durch Gegenwart und Vergangenheit mitnimmt und dabei komplexe historische Zusammenhänge verständlich darstellt.

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