Das Schloss Wiesenau im oberen Lavanttal war in früheren Jahrhunderten ein weithin bekanntes landwirtschaftliches Mustergut und darüber hinaus auch für die Kultur- und Geistesgeschichte Kärntens von großer Bedeutung. Aber nur wenige wissen, dass im Schloss jahrelang auch der einst berühmte Astronom Johann Tobias Bürg lebte und arbeitete.
Johann Tobias Bürg wurde am Weihnachtsabend 1766 in Wien geboren. Über seine Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Er studierte an der Wiener Universität Mathematik und Physik und wandte sich als Wissenschaftler insbesondere der Astronomie zu. Er hatte schon viele Nächte in der Sternwarte der Universität verbracht, als er 1791 als Professor für Physik nach Klagenfurt berufen wurde. Hier lernte er Johann Söllner, den späteren Besitzer des Schlosses Wiesenau im Lavanttal, kennen.
Nach seinen Klagenfurter Jahren kehrte Bürg nach Wien zurück, um dort die Stelle eines Assistenten an der Sternwarte anzutreten. Durch Fleiß, Ausdauer und Wissen erwarb er sich hohes Ansehen, stand mit der internationalen Gelehrtenwelt in Kontakt und lehrte an der Universität Wien höhere Mathematik. Er wurde kaiserlicher Hofastronom und beteiligte sich immer wieder an der geografischen Vermessung des Kaisertums Österreich.
Der Mondumlaufbahn auf der Spur
Als das Pariser Institut National 1799 einen Preis für die genaueste Berechnung der Mondumlaufbahn ausschrieb, trug Bürg neben dem Franzosen Alexis Bouvard den Sieg davon. Bürg hatte Daten von rund 3.000 astronomischen Beobachtungen ausgewertet und eine komplexe Bewegungstheorie des Erdtrabanten entwickelt. Seine Berechnungen überzeugten nicht nur die Juroren in Paris, sondern eröffneten ihm auch neue Möglichkeiten. Er wurde in gelehrte Gesellschaften in Paris, Petersburg, Edinburgh, Berlin und Göttingen aufgenommen, und sogar die Amerikaner interessierten sich für seine Mondtafeln, die bald auch in der Schifffahrt angewendet wurden. In Österreich wurde er 1809 mit dem Ritterkreuz des Leopold-Ordens ausgezeichnet.
Aber nun, da er am Höhepunkt seiner Karriere angekommen war, hielt das Schicksal eine schwere Prüfung für ihn bereit. Im Winter 1809/10 erlitt er bei astronomischen Beobachtungen während einer besonders kalten Nacht einen Gehörsturz, der ihn völlig taub machte. Einige Jahre lang suchte er immer wieder Hilfe und Rat bei Ärzten, aber nichts half. Dann erinnerte er sich wieder an Kärnten und seinen alten Freund Johann Söllner, der dort mit seiner Frau Elisabeth Söllner auf Schloss Wiesenau lebte. Zunächst kam Bürg jeden Herbst für einige Wochen zu Besuch. Später entschloss er sich, der Einladung des Ehepaares Söllner zu folgen und ganz nach Wiesenau zu ziehen. 1818 ging er als kaiserlicher Rat und Hofastronom in Pension und zog sich nach Wiesenau zurück, wo er eine Dachstube bewohnte, unzählige Bücher las und mit seinen astronomischen Instrumenten, darunter einem großen Teleskop, forschte und experimentierte.
Bürg forschte in Wiesenau weiter
Immer hatte er eine Schiefertafel und einen Griffel bei sich und sagte jedem, der ihn ansprach, dass er taub sei. Wenn man etwas von ihm wolle, müsse man es aufschreiben. Neben seinen Studien verbrachte er viel Zeit mit Spaziergängen in der Umgebung. Sein großes Interesse galt dabei den Vögeln im Schlosspark und in den nahen Wäldern, die er dreimal am Tag fütterte und dabei beobachtete.
Am 20. November 1834 unternahm er am späten Nachmittag und bei besonders stürmischem Wetter nochmals einen Spaziergang, um nach seinen gefiederten Freunden zu sehen. Am Morgen darauf stand er auf und frühstückte, legte sich bald darauf aber wieder ins Bett. Als man nach ihm sah, war er zwar ansprechbar, konnte aber die richtigen Worte nicht mehr finden. Der Arzt kam. Bürg war bei vollem Bewusstsein, ruhig und litt unter keinen Schmerzen, aber jeder sah, dass es mit ihm zu Ende ging. Er erhielt die Sterbesakramente und schlief am 25. November ruhig, friedlich und für immer ein. Der kaiserliche Hofastronom wurde am Friedhof in St. Leonhard beigesetzt, wo sich seine Grabtafel noch heute in der Leonhardikirche befindet.
Nach Johann Tobias Bürg wurde 1934 der Bürg-Krater am Mond benannt, der einen Durchmesser von rund 40 Kilometern besitzt, sich im nordöstlichen Teil der Mondvorderseite befindet und am besten fünf Tage nach Neumond oder vier Tage nach Vollmond zu beobachten ist. Einige von Bürgs astronomischen Instrumenten, die er nach Wiesenau mitgebracht hatte, befinden sich heute in der Sammlung des Kärntner Landesmuseums Rudolfinum.
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