Zeitlebens heftig umstritten, von Ärzten angefeindet und bekämpft und schließlich sogar in eine Reihe von Gerichtsprozessen verwickelt, war der Schweizer Fabrikantensohn Arnold Rikli eine der großen Leitfiguren der Naturheilkunde und Reformlehre. Er machte sich als Wasserarzt einen Namen, gründete eine moderne Heilanstalt in Bled und beflügelte, wo immer er wirkte, den gerade aufkeimenden Gesundheitstourismus. Der „Sonnendoktor“, der in vielem irrte, aber dennoch zum Wegbereiter der Lichttherapie wurde, starb 1906 in St. Thomas bei Wolfsberg in Kärnten.
Der Schweizer Naturheilkundler Arnold Rikli (1823 – 1906) gilt als Wegbereiter der Helio- bzw. Lichttherapie. Zu einer Zeit, als es noch als besonderes Wagnis galt, den Körper unbekleidet und ungeschützt der Natur, der Sonne und der kühlen Luft auszusetzen, sorgte seine „atmosphärische Kur“ mit ausgedehnten Licht- und Luftbädern für Aufsehen. Von seinen Anhängern wurde er „Sonnendoktor“ genannt, von seinen schulmedizinischen Gegnern als „Narrenkönig“ beschimpft. Er selbst verstand sich als „hygienischer Arzt“, der sich darum bemühte, die Kräfte der Natur für die menschliche Gesundheit nutzbar zu machen. „Wasser tut’s freilich, höher steht jedoch die Luft und am höchsten das Licht“, soll sein Leitspruch gelautet haben.
Arnold Rikli wurde in Wangen an der Aare im Kanton Bern als Sohn eines Färbereibesitzers geboren. Der äußerst streng erzogene Knabe wurde von Privatlehrern unterrichtet und war von Anfang an dazu bestimmt, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Obwohl Arnold eher kreative Begabungen besaß und schon früh damit begann, die Natur bei Beobachtungen und sportlicher Betätigung in vollen Zügen zu genießen, blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Wunsch der Eltern nachzukommen. Er trat in das väterliche Unternehmen ein, machte sich bald selbstständig und gründete 1845 gemeinsam mit seinen beiden Brüdern in Seebach am Millstätter See in Kärnten eine Türkischrot-Garnfärberei. Dem Unternehmen war allerdings kein wirklicher Erfolg beschieden.
Je schwieriger die wirtschaftliche Situation wurde, desto mehr widmete sich Rikli seinem eigentlichen Interessengebiet, der Naturheilkunde. Er wälzte Bücher, sog das Wissen seiner Vorbilder ein und entwickelte bald eigene Methoden. U. a. konstruierte er einen Bettdampf-Apparat und beschäftigte sich mit der Heilkraft des Wassers, der Luft und der Sonne. Mehrere Heilerfolge brachten ihm rasch den Ruf eines guten Wasserarztes ein. Als es ihm gelang, sich selbst von einer schweren Krankheit zu heilen, fühlte er sich zu Höherem berufen und wagte den nächsten Schritt.
Erfolgreiche Heilanstalt in Veldes
1854 zog Rikli mit seiner Familie nach Veldes (heute Bled, Slowenien), um dort seine erste Heilanstalt zu gründen. Sie entwickelte sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte zu einem weltbekannten Kurort, der vor allem im Sommer viele Kranke anzog. Im Winter arbeitete Rikli in seiner Stadtpraxis in Laibach, später auch in Bozen und Triest. Während in der Kuranstalt viele seiner ungewöhnlichen Heilversuche erfolgreich waren, wagte er sich in den Stadtpraxen auch an schwierigere Akutfälle und scheiterte mehrfach kläglich. U. a. soll er versucht haben, Kinder mit den Mitteln der Naturheilkunde von Pocken zu heilen.
Obwohl oder gerade weil er immer mehr Anhänger und Nachahmer um sich scharrte, rief seine Selbstüberschätzung als selbst ernannter Arzt die Schulmediziner auf den Plan, die ihn fortan heftig bekämpften. Trotz aller Widrigkeiten und Rückschläge blieb Arnold Rikli sich und seinen Ansichten bis zum Lebensende treu. Ja, mehr noch. Er war zutiefst davon überzeugt, einen wichtigen Beitrag zur modernen Medizin geleistet zu haben.
Das wesentliche Naturprinzip, auf das Rikli setzte, war der sogenannte „atmosphärische Wechselreiz“ von Wasser, Luft und Licht, der in der Lage sei, das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder herzustellen. Ein besonderer Stellenwert wurde der Haut eingeräumt, die Reize aus der Natur in das Körperinnere vermittelt. Dadurch, so Rikli, sei es möglich, durch entsprechende Reizeinwirkung die Entgiftung des Organismus zu fördern, Störungen des Säftekreislaufes zu beseitigen und so nahezu alle Krankheiten zu heilen. Rikli sträubte sich gegen alle schulmedizinischen Errungenschaften und ging sogar so weit, die Existenz von durch Erreger verursachten Infektionskrankheiten zu bestreiten und Vorbeugemaßnahmen wie Impfungen strikt abzulehnen. Auch Operationen hielt er für unnötig.
Er selbst wandte im Rahmen der „atmosphärischen Kur“ abwechselnd Wasser-, Luft- und Sonnenbäder an. Die Patienten wurden zur Beschäftigung an der frischen Luft, zu sportlicher Betätigung und ausgedehnten Sonnenbädern motiviert. Seine Kurgäste nächtigten immer wieder in offenen Hütten und wanderten tagsüber barfuß und nur wenig bekleidet zu den sogenannten „Luftparks“ in der Umgebung, wo gemeinsame Turnübungen stattfanden. In den Kurhäusern gab es Schwimmbecken, Dampfbäder und Duschen sowie Sonnenterrassen.
Wirkung und Nachruhm
Riklis strikte Ablehnung der Schulmedizin steigerte sich im Laufe der Jahre weiter und trieb einen tiefen, kaum noch zu überbrückenden Spalt zwischen seine Anhänger und Gegner. Während die Schulmediziner bei seinem Namen lange Zeit die Nase rümpften und einige seiner zahlreichen Schriften sogar gesetzlich verboten wurden, betonen Naturheilkundler bis heute seine zahlreichen Verdienste – vor allem die Propagierung der Lichttherapie, die in ihrer modernen Ausformung heute auch schulmedizinisch anerkannt ist.
Wenige Jahre vor seinem Tod erlebten Riklis Ansichten von der Befreiung des Körpers und der notwendigen Hinwendung zur Natur einen ungeheuren Aufschwung. Um 1900, als nicht nur Laien und Künstler, sondern auch viele Ärzte nach neuen Wegen suchten, erschienen zahlreiche Publikationen, in denen Sonnenlicht und Luftbäder empfohlen wurden. Neue Heilanstalten wurden eröffnet und überall auf der Welt beschäftigten sich Ärzte mit der Frage, welche Krankheiten besonders gut auf die Einwirkung von Licht ansprechen. Rikli hatte aber auch großen Einfluss auf geistesgeschichtliche Bewegungen seiner Zeit. So gründeten einige seiner Kurgäste am berühmten Monte Veritá (Wahrheitsberg), einem Hügel bei Ascona im Kanton Tessin, ein Domizil für reformierte Lebensweise, die zu einer bedeutenden Künstlerkolonie wurde.
Arnold Rikli selbst hatte schon 1879 einen landwirtschaftlichen Besitz in St. Thomas bei Wolfsberg erworben und diesen zu einem stattlichen Schlösschen ausgebaut. Dort starb er 1906. Er liegt am evangelischen Friedhof begraben. Sein Andenken wird bis heute hochgehalten – u. a. durch den Arnold-Rikli-Preis, der alljährlich von der Light-Foundation in Atlanta (USA) für Arbeiten zur biologischen Wirkung von Licht auf den Menschen vergeben wird, und den Arnold-Rikli-Preis der Jörg-Wolff-Stiftung für photobiologische Forschung. In Wolfsberg ist der Rikliweg nach ihm und seiner Familie benannt, und in Bled, das ihm als Urlaubs- und Kurort so viel verdankt, wurden Rikli im Laufe der Jahrzehnte gleich mehrere Denkmäler gesetzt.
Werner Thelian
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