Wer nach St. Andrä im Lavanttal kommt, bewegt sich auf historischem Boden. In der zweitgrößten Stadt des politischen Bezirkes Wolfsberg, die heute der Lebensmittelpunkt von rund 10.000 Menschen ist, blickt man auf viele Jahrhunderte zurück, in denen St. Andrä der Sitz von Pröpsten, Erzdiakonen und Bischöfen und damit eines der bedeutendsten geistlichen Zentren im Süden Österreichs war.
Die Suche nach den Anfängen führt zurück in jene Zeit, in der das bis dahin vorwiegend slawische Karantanien bzw. Kärnten von Untertanen fränkischer und bayerischer Grafen besiedelt und von Missionaren christianisiert wurde.
Bischof Modestus legte wahrscheinlich den Grundstein
Schon in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts soll der ursprünglich vom Bistum Salzburg als Glaubensbringer entsandte Chor- und Wanderbischof Modestus in St. Andrä eine Kirche gegründet und einem der Apostel, dem Hl. Andreas, geweiht haben. Jahrzehnte später, im Jahr 860, schenkte dann König Ludwig der Deutsche dem Erzbistum Salzburg jenen karolingerzeitlichen Hof an der Lavant, mit dem der Ort St. Andrä zum ersten Mal deutlich fassbar und urkundlich belegt in das Licht der Geschichte rückte.
Unter dem ständig wachsenden Einfluss des Erzbistums entwickelte sich St. Andrä nach und nach zu einem bedeutenden geistlichen Zentrum, in dem über viele Jahrhunderte hinweg namhafte Pfarrherren, Pröpste, Erzdiakone, Bischöfe und Fürstbischöfe wirkten. Den Grundstein für diese Blütezeit legte der mächtige Erzbischof Eberhard II. von Salzburg. 1203 erhob er die Andreaskirche zum Sitz des Erzdiakons und damit zum Mittelpunkt eines Kirchensprengels, zu dem die meisten Gotteshäuser und Pfarren im unteren Lavanttal gehörten. 1212 gründete Eberhard II. bei der Andreaskirche ein eigenes Augustiner Chorherrenstift, das von da an fast sechs Jahrhunderte lang bestehen sollte, ehe es zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus wirtschaftlichen Gründen aufgelöst wurde.
1228 Gründung des Bistums Lavant mit Bischofssitz in St. Andrä
Aber Eberhards Pläne reichten noch weiter. 1228 schuf er mit dem Einverständnis des Papstes das neue, von Salzburg abhängige Bistum Lavant, erklärte die altehrwürdige Andreaskirche zur Bischofskirche und machte St. Andrä damit zum Bischofssitz. Damit beschleunigte er auch die weitere Entwicklung des Ortes. Ab 1234 wurde St. Andrä als „Markt“ und ab 1289 zumindest gelegentlich auch als „Stadt“ bezeichnet. 1339 erlaubte Herzog Albrecht II. von Österreich dem Salzburger Erzbischof Heinrich, die Stadt St. Andrä zu befestigen und zu diesem Zweck mit Stadtmauern und einem Graben zu umgeben. Die Stadttore konnten in den Nachtstunden und bei drohender Gefahr geschlossen werden.
Relativ rasch entwickelten sich nun auch die anderen typischen Merkmale einer mittelalterlichen Stadt: die Verwaltung durch Richter und Ratsherren, die zunehmend selbstbewusste Bürgerschaft und die Verwendung eines Stadtsiegels. Aber auch die Wirtschaft begann allmählich zu florieren. Es gab immer mehr Kaufleute, die sich innerhalb der Stadtmauern ansiedelten, und bald waren auch die wichtigsten Handwerksberufe in St. Andrä vertreten. Die Stadtverwaltung, die weiterhin unter der Oberaufsicht des Erzbistums Salzburg stand, erhielt das Recht, Maut und Zölle einzuheben und zu bestimmten Zeiten des Jahres Märkte abzuhalten.
Aber die Stadt und ihre Bewohner hatten auch viele schwere Zeiten zu bestehen. So wurde St. Andrä wiederholt in kriegerische Auseinandersetzungen zwischen dem Erzbistum Salzburg und seinen Gegnern hineingezogen und blieb von Überfällen und Vergeltungsaktionen nicht verschont. Dann wieder wütete die Pest, und 1476 standen dann die Türken vor den Toren der Stadt. Die osmanischen Krieger, die damals Kärnten und das Lavanttal in Angst und Schrecken versetzten, scheiterten jedoch an den starken Ringmauern und der gut organisierten Abwehr. Umso schlimmer wüteten sie im Umland.
Bischofssitz im 19. Jahrhundert nach Marburg verlegt
Im 18. und im 19. Jahrhundert wurde die Stadt von verheerenden Feuersbrünsten stark in Mitleidenschaft gezogen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlor St. Andrä auch seine einst so große Bedeutung als geistliches Zentrum, als der Bischofssitz des Bistums Lavant nach Marburg (heute Maribor in Slowenien) verlegt wurde. Die 1857 per päpstlichem Dekret bestätigte Neuordnung wurde 1859 vollzogen. Die Kärntner Besitzungen des Bistums wurden der Diözese Gurk-Klagenfurt zugeteilt.
Die ehemalige fürstbischöfliche Residenz in St. Andrä ging noch im selben Jahr an die Jesuiten, die das geschichtsmächtige Gebäude mit Hilfe von Erzherzog Maximilian von Österreich-Este kauften und dort eine Ausbildungsstätte für junge Ordensbrüder einrichteten. Die Gesellschaft Jesu kümmerte sich von ihrer neuen Ordensniederlassung aus aber auch um die Seelsorge in den umliegenden Pfarren und Gemeinden. Die 1860 ebenfalls von den Jesuiten übernommene Wallfahrtskirche Maria Loreto wurde nun wieder ein beliebtes Ziel von Wallfahrten. 1940 wurden die Jesuiten von den Nationalsozialisten enteignet. Sie mussten St. Andrä verlassen, kehrten jedoch nach dem Ende des Krieges wieder zurück und nahmen ihre Tätigkeiten in der Stadt und im Umland wieder auf. Nach dem 1968 erfolgten Verkauf der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz zogen sich die Jesuiten noch für einige Jahrzehnte auf ihr nahe gelegenes Schloss Kolleg zurück, ehe 2012 ihre Ordensniederlassung im Lavanttal zur Gänze aufgelassen wurde.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts machte sich in der Stadtgemeinde St. Andrä endlich der so lange erhoffte wirtschaftliche Aufschwung bemerkbar. 1952 wurde ein großes kalorisches Kraftwerk in Betrieb genommen, mit dem bis zu seiner Jahrzehnte später erfolgten Stilllegung zahlreiche Arbeitsplätze für die Gemeinde und die Region verbunden waren. 1973 wurden die bis dahin eigenständigen Gemeinden Eitweg, Maria Rojach, Schönweg und Fischering mit St. Andrä zu einer Großgemeinde vereint.
Heute ist St. Andrä eine moderne Stadtgemeinde im Süden Österreichs, deren Bewohner und Gäste von der gut ausgebauten Infrastruktur, der hohen Lebensqualität und der dynamischen Wirtschaftsentwicklung in der Region profitieren.
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