In der Ausgabe vom 30. März 1943 veröffentlichte die österreichische „Volks-Zeitung“ unter dem Titel „Schöpfungen aus der unergründlichen Natur – Besuch bei Suitbert Lobisser, Kärntens großem Holzschnittmeister und Maler“ eine Reportage über den damals weithin bekannten Künstler.
Lobisser, 1878 in Tiffen in Kärnten geboren, trat 1899 als Novize in das Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal ein, studierte in Salzburg und Rom Theologie und wurde 1903 zum Priester geweiht. Nach dem Studium an der Kunstakademie in Wien unterrichtete er am Stiftsgymnasium St. Paul als Zeichenlehrer und war ab 1914 auch als Forstmeister des Stiftes tätig. In den 1920er Jahren wurde er zunehmend als Künstler bekannt. Er schuf Wandgemälde, Zeichnungen und Aquarelle und galt und gilt als Kärntner Meister des Holzschnitts.
Die langjährige Beziehung zu einer Frau, Eva Luise Bleymaier, führte 1932 schließlich dazu, dass er das Benediktinerstift verließ und sich mit seiner „Ev“ in Klagenfurt niederließ, Vater einer Tochter wurde und sich in den Laienstand versetzen ließ. Nach dem tragischen Tod von Ev heiratete er Relli Lobisser. Er starb am 1. Oktober 1943 in Klagenfurt.
Der in seinem Todesjahr 1943 verfasste Beitrag in der „Volks-Zeitung“ las sich so:
„Man muss die günstige Gelegenheit wahrnehmen, dachte ich mir, als an jenem Weinheber-Vortragsabend der Meister Lobisser gerade vor mir Platz genommen hatte, um von ihm ein kleines Interview zu erbitten. Und wenn dann bei meiner Bitte auch dieses Wort nicht geschickt genug getarnt war, um gleich von vornherein alle Vorstellungen von einem rasenden Reporter mit gezücktem Bleistift auszuschalten, der sich so ungeniert in die geheimnisvolle Atmosphäre eines Künstlers vordrängt, so meinte er doch gutmütig lächelnd: „Dann muss ich wohl meine Stacheln etwas verstecken.‘ Als er mich dann am nächsten Tag mit einem herzlichen Händedruck empfing und in seiner Zipfelmütze und seinen Hauspantoffeln eigentlich einen ganz ‚komoden‘ Eindruck machte, prophezeite mir dies schon eine gemütliche Plauderstunde mit dem einfachen, natürlichen Menschen und großen Künstler Lobisser.
‚Wissen Sie eigentlich schon etwas von mir?‘ – Und als ich das mit der Kenntnis seines Buches bejahte, meinte er: ‚Dann wiss’n S‘ ja eh alles.‘ Aber ich wollte mich ja doch ein wenig in die Atmosphäre seines Wesens hineinstehlen, wie sie aus seinem Buch nicht so unmittelbar herausspricht, und wenn Lobisser auch nicht der Mensch ist, der das Herz auf der Zunge trägt und sein Innerstes nicht jedem preisgibt, so habe ich ihm doch einiges zu entlocken vermocht.
War er mir bisher hauptsächlich durch seine einmaligen Holzschnitte als ein Meister vollendeter Kunst bekannt, so machte er mich jetzt auch noch mit etwas ganz Besonderem, seiner Aquarellmappe, vertraut, die er wie ein Heiligtum hütet und deren kostbarer Inhalt nicht wie seine Holzschnitte in die weite Welt wandern und darum den wenigsten bekannt sind. In diese mit aller Liebe und Feinheit ausgeführten Aquarelle hat er eine ganze Welt von Leuchtkraft, Farbensymphonie, Stimmungen und Innigkeit eingefangen, die die Seele seiner Kärntner Heimat unmittelbar offenbaren. Es sind keine heroischen Landschaftsbilder mit elementaren Bergmassiven, wie sie Kärnten in solcher Vielfalt krönen, sondern gerade als Meister der kleineren Motive hat er die lieblich gewölbte Hügellandschaft Kärntens gestaltet, deren Höhen oft eine romantische Burg oder Ruine überragen und einen weiten Ausblick gewähren: er liebt einen munter plätschernden Bach, der sich schäumend über das einstige Flussbett ergießt, das in seiner bläulich grünen Tönung durch das kristallklare Wasser hindurchschimmert, er liebt eine verträumte Mühle, einen Steinbruch, einen knorrigen, alten Baumstamm, eine kleine Baumgruppe auf einem einsamen Hügel, die in ihrer Buntheit, Vielgestalt und dem zarten Geäst durch das die helle Sonne strahlt, wie ein Frühlingswunder dasteht.
Sein ganzes Leben hat er ja in gleichem Maße wie der Kunst auch der Natur verschrieben; kein Wunder, wenn sie ihm ihr tiefsten Geheimnisse erschließt und er ihren Pulsschlag so unmittelbar fühlt. Er erzählte mir von seinen Frühlings- und Herbstwanderungen, gerade die Stimmungen in diesen Jahreszeiten liebt er besonders. Dann packt er die Staffelei und das ganze Drum und Dran an Farben in den Rucksack und wandert stets mit aufgeschlossenem Herzen und offenen Augen durch die Lande; wo ihn ein besonderes Motiv fesselt, da lässt er sich gleich nieder, um es festzuhalten.
Anders bei seinen Holzschnitten. Auch diese Motive schöpft er aus der Unergründlichkeit der Natur. ‚Man muss sie geradezu mit den Augen fressen‘, wie er in seiner Urwüchsigkeit sagte, ’sie sich ganz scharf einprägen, damit sie der Vorstellungswelt nicht mehr entschwinden können.‘ Aber nur eine kleine flüchtige Skizze nimmt er mit nach Hause – von diesen hat er eine unendliche Fülle – und verleiht ihnen dann auf seiner Holzplatte wieder neues Leben. Auch in die Holzschnitte durfte ich mich so unmittelbar in der Nähe ihres Schöpfers vertiefen. Jedes Blatt war mit der gleichen romantischen Innigkeit wie realistischen Genauigkeit gestaltet.
Wenn mich aus seinen Aquarellen besonders das Element der tiefen Naturverbundenheit ansprach, so aus seinen Holzschnitten das tiefe Gemüt, das in den sich immer wiederholenden Motiven der Mütterlichkeit zum Ausdruck kam, die sich ganz verströmt an ihre unmittelbare Umgebung, ihre Kinder und ihre häusliche Welt. Man konnte sich den Holzschnitten so mit der ganzen Liebe einer Betrachtung hingeben, denn sie offenbaren immer wieder neue Feinheiten – eine kleine Laune der Natur oder des Meisters selber -, die das Ganze wie aus einem Mosaik zusammengesetzte Bild zu der großen Innigkeit gestaltet hatte. Und aus allen Blättern sprach das Geheimnis seiner urtümlichen Kraft in vollster Eigenständigkeit, wie aus einem mythischen Antlitz Kärntens, seiner Natur, seiner Menschen, Täler und seiner ganzen Atmosphäre, die unbeschreibbar bleibt, die man nur erfühlen kann.“
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